Glamorous Hacken

Logo des XChange Reality Hackathons 2020 in St. Pölten
Logo des XChange Reality Hackathons 2020 in St. Pölten

Glamourous Hacken

Ein Studienbericht von Gesine Gumann und Cris Ortega

Das Sommersemester 2020 lässt sich in drei Stichworten zusammenfassen:

#Corona #Homeoffice #Online

Zwischen Zoom-Meetings, kollaborativen Onlinetools und dem Versuch einen normalen Studienalltag zu ermöglichen blieb nicht viel Zeit.

Wahlveranstaltungen und Schlüsselqualifikationen drohten dabei unterzugehen.

Im Studiengang Digitale Geistes- und Sozialwissenschaften wurde dennoch die Möglichkeit geschaffen über den Tellerrand hinauszuschauen. Eine Handvoll Studierende begab sich auf eine coronakonforme Exkursion nach St. Pölten in Österreich.

Die dort ansässige Hochschule wurde von den Einschränkungen nicht entmutigt und ließ ihren Kulturhackathon XChange Reality! vom 27. bis 30. April 2020 online stattfinden.

Die Bachelor-Studierenden Gesine Gumann und Cristian Ortega Singer erzählen von ihren Erfahrungen, die sie mit der virtuellen Exkursion aus ihren Wohnzimmern nach Österreich gemacht haben.

Logo des XChange Reality Hackathons 2020 in St. Pölten
Logo des XChange Reality Hackathons 2020 in St. Pölten

Glam-was?

Aber was genau ist ein Kulturhackathon? Wer oder was ist GLAM und warum der Titel XChange Reality?

Seit etwa 20 Jahren gibt es den Begriff Hackathon. Als Wortneuschöpfung aus “hacken” und “Marathon” beschreibt er das intensive gemeinsame arbeiten an Projekten in kürzester Zeit. Dabei geht es nicht um langwierige ausgefeilte Projektpläne, sondern um kreatives Experimentieren und Tüfteln. Ursprünglich von Technikunternehmen geschaffen, geht es bei Hackathons oft um technische Problemstellungen, nicht aber bei einem Kulturhackathon! Hier stehen Fragen der Geistes-, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften im Vordergrund, denen mit digitalen, sowie analogen Konzepten begegnet wird.

Wichtig sind dabei vor allem die GLAM-Institutionen. Das Akronym steht für Galleries, Libraries, Archives und Museums, die durch ihre Rolle als Kultur- und Gedächtnisinstitutionen verbunden sind.

Offen verfügbare Datensätze von GLAM-Institutionen bildeten die Grundlage für die Diskussionen, Konzepte und Prototypen des Hackathons.

Konkret diskutierten wir bei XChange Reality!  im Plenum, tüftelten in Kleingruppen und hörten spannende Vorträge zu einem umfassenden Thema: XR oder Mixed Reality.

Mixed Reality meint dabei jegliche Vermischung von Realität und Virtualität, von ortsbasierten Handy Apps, über Bilderkennung bis hin zu VR-Anwendungen, die Informationen aus der Umwelt integrieren.

Gerade für die Visualisierung von Kulturerbe bietet Mixed Reality viele spannende Möglichkeiten, die erforscht werden können.

Ein interdisziplinärer Blick auf die komplexen Fragestellungen, die sich rund um XR in GLAM-Institutionen ergeben, ist dabei absolut notwendig.

Als Digital Humanities Studierende freuten wir uns deshalb besonders darauf bei XChange Reality! mitzuwirken,  unsere Fachperspektive einzubringen und vor allem vieles Neues zu lernen.

Ein volles Programm

Tabelle mit den einzelnen Programmpunkten des Hackathons
Tabelle mit den einzelnen Programmpunkten des Hackathons

 

Am Montag den 27. April ging es los mit dem digitalen Hackathon. Im Zoom-Meeting begrüßte das Organisationsteam aus St. Pölten, mit  Franziska Bruckner, Thomas Moser und Sylvia Petrovic-Majer die Teilnehmenden und Hannes Raffaseder eröffnete die Veranstaltung.

Über die nächsten vier Tage sollte nicht nur in interaktiven Hacking-Sessions gemeinsam gearbeitet sondern auch inhaltlicher Input gegeben werden. Hierzu waren drei Streaming-Sessions, zwei Keynote-Vorträge sowie eine Diskussionsrunde Teil des Programms.

Die Streaming-Sessions drehten sich hierbei um die Möglichkeiten, die ein Mixed-Reality Ansatz für unterschiedlichste Bereiche wie Museen, Gesundheit oder Theater bietet.

Die Keynote-Vorträge wurden von Peter Bell und Jacqueline Klusik-Eckert von der FAU und von Arturo Sánchez Pineda vom CERN gehalten.

Das Team der FAU stellte unter dem Titel „The European Time Machine and Time Traveling Objects of Cultural Heritage“ die European Time Machine und die Nürnberg Time Machine vor. Weitere Informationen zu diesen wichtigen und interessanten Projekten, sowie der Bewerbung von Nürnberg als Kulturhauptstadt Europa 2025 finden sich in dem dazu erschienenen Artikel der FAU und auf den Webseiten der  European Time Machine  und der lokalen Nürnberg Time Machine.

Besonders spannend war daneben auch der Vortrag von Arturo Sánchez zum Thema „Open Data&Soft! Knowledge Transfer that Boosts Computer Skills in the Americas”. Er berichtete von den Bemühungen des CERN, die vom ATLAS Teilchendetektor produzierten Daten, weltweit mit Menschen zu teilen. Der Fokus soll darauf liegen weltweit Potenziale junger Forscher:innen zu fördern, indem ihnen durch das Bereitstellen der Daten sowie effektiver online und offline Umgebungen Möglichkeiten der Datenanalyse geboten werden. Hierbei fokussiert sich Sánchez auf Südamerika. Dem Projekt ist es wichtig auch Forscher:innen und Studierende in infrastrukturell schlecht angeschlossenen Regionen zu erreichen.

Ergänzend zu den anderen Programmpunkten wurde beim netzpolitischen Abend zum Thema digitaler Humanismus die ethische Seite des technischen Fortschritts diskutiert.

Der Hackathon-Teil begann mit einer Einführungs-Session, in der sich die Teilnehmenden zunächst gegenseitig kennenlernen konnten. Um Gruppen für die Arbeit an den Projekten zu bilden wurden zuerst interessante Themengebiete gesammelt, um dann in den Interessensgruppen zu möglichen Projektideen zu diskutieren.

In den restlichen zwei Tagen hatten wir daraufhin Zeit in den entstehenden Gruppen zu Arbeiten bevor die Ergebnisse Donnerstag nachmittags im Plenum präsentiert werden sollten.

 

Kollabratives Brainstorming beim Glam-Hackathon 2020
Kollabratives Brainstorming beim Glam-Hackathon 2020

 

Objektgeschichten, NodeGoat und Neptunbrunnen

Als kleine Zweiergruppe beschäftigten wir uns beim XChange Reality! Kulturhackathon mit Georeferenzierung und dem Tool NodeGoat. Uns interessierte, wie man die Ortsgeschichte eines Objekts über die Zeit hinweg bildlich darstellen kann. Die Idee des Projekts war die einzelnen Stationen im “Leben” eines Objekts auf einer Landkarte einzuzeichnen und das Abrufen von Informationen zu den einzelnen Ereignissen zu ermöglichen.

Eine große Hilfe war dabei die Anwendung NodeGoat. Die wenigen Tage des Hackathons nutzten wir dazu die vielfältigen Möglichkeiten des Datenmanagement-, Analyse- und Visualisierungstools auszutesten.

Als Testobjekt wählten wir den Nürnberger Neptunbrunnen, dessen Geschichte ihn nicht nur an verschieden Orte brachte, sondern auch zu einer prominenten Kopie des Brunnens führte. Unser erster Arbeitsschritt bestand aus der Ausarbeitung eines Datenmodells, welches Orte, Zeitpunkte und die verschiedenen Instanzen des Brunnens in Beziehung setzte. Anschließend fügten wir vorher recherchierte Informationen zum Neptunbrunnen dem Datenmodell entsprechend in NodeGoat ein.

 

Ausschnitte aus dem NodeGoat Netzwerk für den Neptunbrunnen
Ausschnitte aus dem NodeGoat Netzwerk für den Neptunbrunnen

 

Erste Visualisierungen der Standortgeschichte des Neptunbrunnens
Erste Visualisierungen der Standortgeschichte des Neptunbrunnens

 

Da der Hackathon auf wenige Tage beschränkt war, mussten wir uns auf wichtige Orte und Daten fokussieren. Trotzdem konnten wir auch in der kurzen Zeit einen guten Überblick über das Tool und seine Möglichkeiten gewinnen.

Am Ende des Hackathons stellten wir unsere Ergebnisse im Plenum vor.

Gesine Gumann stellt einen Teil unseres Projekts im öffentlichen Zoom Meeting vor
Gesine Gumann stellt einen Teil unseres Projekts im öffentlichen Zoom Meeting vor

Glamorous hacken geht nur gemeinsam

Neben der intensiven Zusammenarbeit in Kleingruppen, prägte unsere virtuelle Exkursion nach St. Pölten vor allem eine Erkenntnis: Wer in solch komplexen Fachgebieten, wie XR in GLAM-Institutionen, gute Projekte voranbringen möchte, muss das gemeinsam mit anderen tun.

Vom Plenum, über Vorträge, Diskussionsrunden und natürlich beim aktiven Hacken; die Veranstaltungen lebten von der Vielfalt der Erfahrungen und unterschiedlichen Fachkenntnissen der Teilnehmenden. Gruppen aus Informatiker:innen, Archivar:innen, Künstler:innen, Personen aus den Digital Humanities und viele weitere schafften innovative Konzepte, wie mit kulturellem Erbe umgegangen werden kann. Dabei spielte es keine Rolle ob man Studierende:r, Professor:in oder Interessierte:r ist. Am Ende zählte der Wille zum interdisziplinären Arbeiten, bei dem alle ihre Fachkenntnisse fruchtbar einbringen können.

Eine solche Zusammenarbeit in Zeiten von Corona rein online zu veranstalten, stellt eine Herausforderung für sich dar. Auch der Umgang mit unvorhersehbaren technischen Schwierigkeiten und ungewohnten Formaten ist etwas, was wir aus dem XChange Reality! Kulturhackathon mitnehmen.

Umso mehr muss daher ein großer Dank an die Organisator:innen ausgesprochen werden, die es, trotz der alles andere als idealen Umstände, in relativ kurzer Zeit schafften den Hackathon komplett zu digitalisieren.